Aufruf für ein "Stuttgarter Manifest"
Die Situation für den Animationsfilm in Deutschland hat sich in den letzten Jahren signifikant verschlechtert. Den Animationsfilm für Erwachsene gibt es im Kino als Randerscheinung, im Fernsehen faktisch gar nicht mehr. Kinder, die immerhin 13 Prozent unserer Bevölkerung ausmachen, werden bei ARD/ZDF mit einem Anteil an den Gebührengeldern von einem reichlichen Prozent abgespeist, wobei im Animationsbereich Lizenzankäufe aus dem Ausland dominieren.
Wir wollen und dürfen dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen.
Aus den bisherigen Diskussionen haben sich neben vielen Fragen des kollegialen Umgangs innerhalb der Branche sechs zentrale Fragestellungen bzw. Forderungen herauskristallisiert, die wir zur Diskussion stellen wollen.
1. Faires und vertrauensvolles Miteinander sowie eine marktgerechte Bezahlung von Fachkräften sind die Voraussetzungen für gute Filme und gutes Fernsehprogramm. Beitragsgelder sollen der Vielfalt des Programms dienen. Sie sind nicht dazu da, Sportrechte mit völlig überdimensionierten Budgets zu erwerben oder zusätzliche Betriebsrenten abzusichern. Wir fordern ARD und ZDF auf, endlich die nötige Transparenz (vor allem bei Budget- und Sendeplatzentwicklung sowie der Auftragsvergabe) herzustellen. Sie müssen ihrer wirtschaftlichen Verantwortung gerecht werden, indem sie durch ihre Auftragsvergabe dafür sorgen, dass mehr Wertschöpfung im eigenen Land stattfindet.
2. Es ist ein in den Rundfunkstaatsverträgen festgeschriebener Auftrag für ARD und ZDF, kulturelle Vielfalt und Identität zu erhalten und zu befördern. Darüber wird schon jahrelang diskutiert. Doch die Verantwortlichen in den Sendeanstalten sind nicht dazu bereit, einzulenken und wesentliche Veränderungen vorzunehmen. Wir fordern daher, dass die Hälfte der Animationsproduktionen im deutschen Fernsehprogramm von deutschen Produzenten stammen muss.
3. Im Verhältnis zwischen Sendern und Programmanbietern bedarf es fairer und transparenter Geschäftsgrundlagen. Solche „Terms of Trade“ gibt es z.B. in Großbritannien. Sie beginnen bei alltäglichen Problemen des Produktionsablaufs (konkrete Terminsetzungen für Entscheidungsprozesse), reichen über klar definierte Gewinnmargen („production fee“ von 15%) bis hin zu Mindestlizenz-Summen, feste Lizenzlaufzeiten, faire Rechteaufteilung sowie akzeptable Erlösbeteiligung. Wir fordern ARD und ZDF auf, für die Animationsfilmbranche solche Terms of Trade aufzustellen und auch einzuhalten.
4. Deutsche Animationsfilmer zeichnen sich durch gute internationale Vernetzung aus. Viele internationale Koproduktionen kommen dennoch nicht zustande. Sie scheitern allein am fehlenden Interesse von ARD und ZDF. Ohne entsprechende Senderbeteiligung haben Animationsfilmer nur wenige Chancen, Filmfördermittel zu akquirieren, zumal die TV-Sender auch in vielen Förderungen personell sowie als Gesellschafter verankert sind und das Sagen haben. Wir sehen hier einen Interessenkonflikt, der die wirtschaftlichen Interessen der Animationsfilmer sowie die künstlerische Vielfalt der Brache bedroht. Wir fordern, TV-Vertreter nicht mehr in solchen Fördergremien zuzulassen.
5. In den Planungen und Programmleitlinien der deutschen TV-Anstalten taucht der Begriff "Animation" nur als Randnotiz auf, bestenfalls im Bereich des Kinderfilms und dort nur als Programm-Marginalie. Einen Animationsfilm für Erwachsene gibt es nicht. Damit werden die Sender dem Vielfaltsanspruch des Rundfunkstaatsvertrages nicht gerecht. Dies wird u.a. mit den scheinbar hohen Kosten für Animation begründet. Dabei kostet fiktionales Realfilmprogramm mitunter deutlich mehr als Animationsfilme. Wir fordern daher die TV-Anstalten auf, feste Sendefenster für den Animationsfilm für Erwachsene, auch in den Hauptprogrammen, zu schaffen.
6. Animations- und Kinderfilm scheinen in Deutschland keine Lobby zu haben. Insbesondere die Kontrollgremien der Rundfunkanstalten - die Fernseh- und Rundfunkräte - kommen ihrer Kontroll- und Beratungsfunktion offensichtlich nicht oder nicht ausreichend nach. Diese Gremien sollen jedoch die Breite und Vielfalt unserer Gesellschaft und deren Interessen widerspiegeln. Wir fordern bei Neubesetzung dieser Gremien mindestens einen Platz für Branchenvertreter. Die Staatsverträge und Rundfunkgesetze sind entsprechend zu novellieren.
26.4.2013, 14:00 Uhr im Rocker 33 auf der Friedrichstrasse 23 in Stuttgart
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